Redebeitrag vom 27.01.2021 – 76 Jahre Befreiung von Auschwitz

Wir gedenken heute allen Opfern des Nationalsozialismus.
 
Heute jährt sich zum 76. Mal die Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee. 
 
Auschwitz war das größte Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialist*innen, in dem mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet wurden, unter ihnen etwa 1 Million Jüd*innen. Auschwitz war ein Ort von unbeschreiblichem Schrecken und Leid, der wie kein anderer für die Vernichtung und die Verbrechen des Nationalsozialismus steht.
 
Selbst der immer deutlicher verlorene Krieg konnte die Nationalsozialist*innen nicht von ihrem Vorhaben der totalen Vernichtung der europäischen Jüdinnen*Juden abbringen. So wurden im Januar 1945, als die Rote Armee nur noch 60 Km entfernt stand, 60.000 inhaftierte Menschen auf Todesmärsche geschickt. Die letzten Tage im Lager nutzte die SS um, soweit wie möglich, Beweise und Infrastruktur zu zerstören. Sie vernichteten Dokumente, brannten Gebäude nieder und zerstörten die vier Krematorien von Auschwitz-Birkenau. Das Letzte wurde am 26. Januar 1945 gesprengt und  es wurden nur wenige Häftlinge zurück gelassen, in der Absicht, dass sie vor der Ankunft der Roten Armee starben. 
 
Einen Tag später, am 27. Januar konnten nur noch ungefähr 7.500 schwer kranke Überlebende befreit werden. 
 
Die ohnehin schon dreiste Behauptung, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung nichts von den Konzentrationslagern und der Vernichtung gewusst habe, wird nichtzuletzt durch die Todesmärsche als Lüge deutlich. Tausende Leichen lagen entlang der Routen. 
 

So berichtet der Überlebende Thomas Buergenthal:
„Wer nicht weiter gehen konnte und sich entweder am Straßenrand hingesetzt hatte oder zusammenbrach, war von den SS-Wachen erschossen worden.“
 
Die deutsche Bevölkerung nahm die Konfrontation mit den Todesmärschen vielmehr als Zumutung wahr und ein großer Teil unterstützte die Wachmannschaften beim Weitertransport sowie der Ermordung der Menschen auf den Todesmärschen. Versuche der Hilfeleistung blieben die Ausnahme.
 
Wir wollen heute eine nicht so häufig gehörte Perspektive darstellen, nämlich die des Widerstands der Verfolgten der Nationalsozialist*innen. 
 
Es geht uns hierbei vor allem darum, mit der Darstellung der passiven Opfer zu brechen. Besonders häufig finden sich diese Bilder gerade bei der Darstellung der als jüdisch Verfolgten Menschen, die als namenlose Masse gezeigt werden, die ihrer Vernichtung entgegengetrieben wird. Dabei wird oft auch im Gestus des Erinnerns dieses Muster wiederholt, die Opfer nur als abstrakte Zahl oder Gruppe genannt und sich über die Täter*innen fleißig ausgeschwiegen. Dem entgegen steht die wirkliche Geschichte der Millionen Menschen, die durch den Nationalsozialismus ihr Leben verloren, ihre Namen, ihre Gesichter, ihre Biografien, aber auch ihre Hoffnungen und ihr Widerstand. Dieser Widerstand, auch wenn wir dabei häufig an bewaffnete Aufstände und ähnliches Denken, passierte in vielen Formen, sei es dem Überbringen von Informationen, dem Schmuggel von Geflüchteten, Diebstählen, kleinen Sabotagen, der Versorgung Anderer, oder aber auch Akten der Selbstbehauptung, gerade in den Konzentrationslagern. Trotzdem waren die Möglichkeiten zum Widerstand stark durch das Repressionsnetz des Nationalsozialismus eingeschränkt und ließen gerade den Verfolgten sehr wenig Raum zum Widerstand. In welchem Maße Widerstand möglich wurde, wurde oftmals durch dieses Repressionsnetz bestimmt. 
 
Allerdings gilt es auch weiterhin der bei Deutschen beliebten Entschuldigungsformel, man habe sich selbst im passiven Widerstand befunden, aber habe keine andere Möglichkeit gehabt als sich angeblich oberflächlich einzufügen, als Verklärung der Geschichte zu benennen. 
 
Die Erinnerung an den Widerstand birgt allerdings auch für Linke die Gefahr, im Dienste der eigenen Identitäts- und Traditionsbildung, eine Hierarchisierung der Opfer vorzunehmen, oder der Geschichte durch den Bezug auf einen heroischen Widerstand doch noch einen Sinn abzupressen. Uns ist bewusst, dass wenn wir euch heute Biografien von zwei Widerstandskämpferinnen vorstellen, dies nicht den vollständigen Widerstand in seiner Vielfältigkeit darstellen kann, sondern nur ein paar Schlaglichter auf einzelne Begebenheiten werfen kann. Sie bilden in unserem Gedenken an alle Opfer des Nationalsozialismus Bezugspunkte, wenn auch nicht ungebrochen, für unsere Kämpfe, weil ihr Kampf auch damals nicht nur gegen den Nationalsozialismus und um das nackte Überleben ging, sondern auch einer für Selbstbestimmung, Gleichheit, Freiheit und eine andere Gesellschaft war.
 
Es folgt ein jiidisches Partisanen Lied von Hirsh Glik. 
 
Lied von Hirsh Glik:
Shtil, di nakht iz oysgeshternt/ Still, die Nacht ist voller Sterne
 
Shtil di nakht iz oysgeshternt / „Still, die Nacht ist voller Sterne
un der frozt hat shtark gebrent, / und der Frost hat stark gebrannt.
tsi gedenkstu vi ikh hob dikh gelernt, /Gedenkst Du noch, wie ich Dich gelehrt hatte
haltn a shpayer in di hent. / eine Pistole in der Hand zu halten.
 
A moyd, a peltsl un a beret, / Ein Mädchen, ein Pelz und ein Barett,
un halt in hant fezt a nagan, / und hält in der Hand fest eine Pistole,
a moyd mit a zametenem ponim, / ein Mädchen mit einem samtenen Gesicht,
hit op dem soynes karavan. / hält auf die Karawane der Feinde.
 
Getsilt, geshozn un getrofn, / Gezielt, geschossen und getroffen,
hot ir kleyninker piztoyl, / hat ihre kleine Pistole.
an oyto a fulinkn mit vofn, / Ein Auto gefüllt mit Waffen,
farhaltn hot zi mit eyn koyl. / aufgehalten hat sie es mit einer Kugel.
 
Fartog fun vald aroysgekrokhn, / Am nächsten Tag aus dem Wald gekrochen,
mit shney girlandn oyf di hor, / mit Schneegirlanden auf den Haaren,
gemutikt fun kleyninkn nitsokhn, / ermutigt von einem kleinen Sieg,
far undzer nayem frayen dor / für unsere neue, freie Generation.“
 
Vitka Kempner – Ghettokämpferin und Partisanin
 
Vitka Kempner ist die Frau, die der Partisan und Dichter Hirsch Glik in seinem jiddischen Partisan*innenlied „Shtil, di nakht iz oysgeshternt“ beschreibt.
Geboren im März 1920 in Kalisz (Polen), konnte Vitka Kempner 1939 nach Wilna (Vilnius) fliehen und schloß sich dort der sozialistisch-zionistischen Jugendbewegung Hashomer Hatzair (Junge Wächter) an. 1941, unmittelbar nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht und dem Beginn der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung, beteiligte sich Vitka an den Widerstandsaktionen innerhalb und außerhalb des von den Deutschen im September 1941 errichteten Ghettos. Mit falschen Papieren und blond gefärbten Haaren lebte sie eine zeitlang als polnische Christin getarnt außerhalb des Ghettos. Sie besorgte Verstecke, schmuggelte Waffen in das Ghetto und verübte als Mitglied der im Januar 1942 gegründeten Fareynegten Partizaner Organizatsye (FPO) den ersten Sabotageakt auf einen Wehrmachtszug, der Waffen an die Ostfront transportierte. Auf diese Aktion bezieht sich auch Hirsh Glik in seinem Lied.
Nach dem vergeblichen bewaffneten Aufstand innerhalb des Ghettos beschloss die FPO unter Abba Kovner, das Ghetto zu verlassen und den Kampf als Partisan*innen in den Wäldern weiterzuführen. Mehrere hundert Mitglieder wurden bis zur Auflösung des Ghettos am 23. September 1943 aus dem Ghetto geschleust, die Mitglieder der letzten Gruppe, darunter Abba Kovner, verließen durch die Kanalisation das Ghetto, wo sie von Vitka Kempner in vorbereitete Verstecke gebracht wurden und von dort in die Rudniki Wälder fliehen konnten.
Als Kommandantin einer Aufklärungseinheit war Vitka Kempner im Juli 1944 auch beim Kampf der Roten Armee um die Befreiung der Stadt Wilna dabei und bekam nach dem Krieg die Tapferkeitsmedaille der Sowjetunion verliehen. Mit Abba Kovner und Rozka Korczak leitete Vitka Kempner die illegale Fluchtorganisation „Bricha“ von Überlebenden der Shoah nach Palästina, wo sie und Kovner 1946 im Kibbuz Ein Hahoresh heirateten und eine Familie gründeten. Nachdem sie sich dem Aufbau des jüdischen Palästinas widmete, begann Kempner im Alter von 45 Jahren, klinische Psychologie an der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv zu studieren. Sie arbeitete danach als Psychologin und setzte sich für die schulische Ausbildung von Kindern in den Kibbuzim ein. Vitka starb im Februar 2012, über zwanzig Jahre nach dem Tod von Abba Kovner und Rozka Korczak, mit der sie eine lebenslange Freundschaft verband.
 
Lange Zeit kannte man die Geschichte der Partisan*innengruppe aus Wilna vorrangig durch Schilderungen Abba Kovners. Erst Ende der 1980er gab Vitka Kempner ihre ersten Interviews. Sie erzählte erstmals nicht nur von ihren Erfahrungen als Partisanin, sondern vor allem von den Erfahrungen ihrer Partisanentätigkeiten als Frau. So thematisierte sie die Schwierigkeiten als Frau überhaupt in litauischen und russischen Partisan*innengruppen aufgenommen zu werden, die Zuteilung typisch weiblicher Aufgaben und der ewigen Auseinandersetzung damit, als Kämpferin gesehen und anerkannt zu werden. Vitka Kempner berichtete sogar von Missbrauch, Erniedrigung und davon, dass junge Jüdinnen gezwungen wurden, russische Kommandanten zu heiraten. Nur in der von Abba Kovner kommandierten autonomen jüdischen Einheit waren die Frauen gleichgestellt.
 
Mit diesen Schilderungen hatte Vitka Kempner einen großen Anteil daran, dass das Interesse an genderorientierten Shoah-Studien wuchs. Außerdem konnte sie mit ihren Erzählungen einen großen Teil zu diesen beitragen, indem sie ihren eigenen Kampf gegen die Nationalsozialist*innen publik machte.
 
Tosia Altman und der Aufstand im Warschauer Ghetto
 
Heldengeschichten dienen meist der Legitimation der eigenen Position, da sie stets in der Lage sind, die Komplexität der Situation zu verdecken, lassen da Entscheidungsmöglichkeiten erscheinen wo nie welche waren oder reduzieren politische Auseindersetzungen auf den individuellen Mut der Kämpfenden. Zwar fiele es leicht ebensolche Geschichten von Held*innen über den jüdischen Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 zu erzählen, jedoch birgt die Erzählung des „guten Kampfes und der schlechten Passivität unter dem Motto „Wie die Lämmer zur Schlachtbank“ einen regressiven Kern.
 
Marek Edelman, einer der Anführer des Aufstands sagte nach dem Krieg: „Die Menschheit hatte sich ja darauf geeinigt, dass das Sterben mit der Waffe schöner ist als das ohne Waffen. Also fügten wir uns dieser Konvention.“
Eine die sich ebenjener „Konvention“ fügte und an die wir heute als eine von über 6 Millionen ermordeten Jüdinnen*Juden erinnern wollen ist Tosia Altman. Tosia Altman wurde 1919 in Lipno, Polen geboren und schloss sich mit 11 Jahren den Hashomer Hatzair an. Hashomer Hatzair ist eine sozialistisch-zionistische Jugendorganisation und teil der Hechaluz-Bewegung Osteuropas die sich auf den Aufbau eines sozialistisch-jüdischen Staates vorbereiteten. Wie viele Mitglieder linker jüdischer Organisationen floh Altman nach dem Einmarsch der Deutschen nach Wilnius, kehrte aber ebenfalls wie einige im Auftrag ihrer Gruppen wieder zurück nach Warschau.
        
„1. Auf Grund der Verordnung über Aufenthaltsbeschränkungen im Generalgouvenement vom 13. September 1940 wird in der Stadt Warschau ein jüdischer Wohnbezirk gebildet, in dem die in der Stadt Warschau wohnenden oder nach dort ziehenden Juden Wohnung zu nehmen haben.
[…]
7. Wer dieser Anordnung oder den zu ihrer Durchführung erlassenen Bestimmungen zuwiderhandelt, wird nach den bestehenden Strafbestimmungen bestraft.“
Auf das Verlassen des Ghettos stand fortan die Todesstrafe.
 
Tosia Altman war die erste Funktionärin jüdischer Jugendorganisationen die nach Warschau und somit unter die Herrschaft der Deutschen und in die Welt zahlreicher antisemitischer Verordnungen zurückkehrte. Ausgestattet mit organisatorischem Talent und besonders einem „arischen“ Aussehen wurde Altman Verbindungsfrau der Hashomer Hatzair und hielt Kontakt zwischen verschiedenen Gruppen im von Deutschland besetzten Teil Polens.
        
Bereits vier Wochen nach der Verordnung zur Etablierung des Ghettos erfolgen die ersten Todesurteile gegen acht außerhalb des Ghettos aufgegriffenen Juden  sowie deren Vollstreckung noch am selben Tag.
Kurze Zeit später halten sich die Deutschen nicht einmal mehr mit dem Schein eines Gerichtsverfahrens auf.
 
Als im März 1942 vermehrt Nachrichten über die Vernichtungslager im Osten das Ghetto erreichten und klar wurde, dass sich die aus dem Ghetto in Viehwaggons Abtransportierten nicht in den behaupteten Arbeitslagern befanden, bildete sich die erste breite Kampforganisation im Ghetto. Vor allem Jugendgruppen wie Tosia Altman’s Hashomer Hatzair drängten auf eine bewaffnete Selbstverteidigung. Problem des Antifaschistischen Blocks war jedoch neben der schwierigen Versorgungslage das Fehlen jeglicher Waffen, nicht eine Einzige lies sich auftreiben.
 
Kalorienzuteilung für Zivilisten im besetzten Warschau:
Deutsche: 2310 Kalorien
Polen: 634 Kalorien
Juden: 184 Kalorien
 
Erst die Nachfolgeorganisation des Antifaschistischen Blocks, die Jüdische Kampforganisation konnte durch Verbindungen nach außen, über Frauen wie Tosia, die dringend benötigten Waffen beschaffen. Tosia war dabei für den Kontakt zum polnischen und kommunistischen Widerstand außerhalb des Ghettos zuständig. Weiterhin half sie beim Aufbau des jüdischen Widerstands in Krakau und leistete Fluchthilfe für andere Jüdinnen*Juden im besetzten Polen.
 
„Aus Sicherheitsgründen ordne ich an, dass das Ghetto Warschau nach der Herausverlagerung des Konzentrationslagers abzureißen ist, wobei alle irgendwie verwertbaren Teile der Häuser und Materialien aller Art vorher zu verwerten sind.
        
Die Niederlegung des Ghettos und die Unterbringung des Konzentrationslagers ist notwendig, da wir Warschau sonst wohl niemals zur Ruhe bringen werden und das Verbrecherwesen bei Verbleiben des Ghettos nicht ausgerottet werden kann.
        
Für die Niederlegung des Ghettos ist mir ein Gesamtplan vorzulegen. Auf jeden Fall muss erreicht werden, dass der für 500 000 Untermenschen bisher vorhandene  Wohnraum, der für Deutsche niemals geeignet ist, von der Bildfläche verschwindet und die Millionenstadt Warschau, die immer ein gefährlicher Herd der Zersetzung und des Aufstandes ist, verkleinert wird. 
gez. Himmler“
 
Als deutsche Verbände zusammen mit ukrainischen und lettischen Hilfskräften am Morgen des 19. April 1943 das Ghetto betraten, um auch die letzten 60 000 Jüdinnen*Juden in die Vernichtung zu transportieren wurden sie von einem Kugel- und Granatenhagel empfangen. Über mehrere Wochen widersetzte sich das Ghetto der endgültigen Vernichtung.
 
Aus dem Stroop-Bericht „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk Warschau mehr“:
„[…] Es wurden die jüdische und die polnische Flagge als Aufruf zum Kampf gegen uns auf einem Betonhaus gehisst […]
Der Unterzeichnete ist entschlossen, die Großaktion nicht eher zu beenden, bis auch der letzte Jude vernichtet ist.“
 
Am 08.Mai 1943 entdecken die Deutschen den Bunker mit den überlebenden Anführer*innen des Ghetto-Aufstands in der Mila-Straße 18. Nach kurzem Schusswechsel gingen die Deutschen dazu über Giftgas in den Bunker zu leiten. Die Verbliebenen Kämpfer*innen begingen in der Ausweglosigkeit Selbstmord. Einige Wenige flüchteten durch einen erst im letzten Moment entdeckten Ausgang, so auch Tosia Altman. Zusammen mit anderen Überlebenden des Warschauer Ghettos wird Tosia jedoch kurze Zeit später in ihrem Versteck aufgegriffen und durch die Deutschen getötet. Das Ghetto wird dem Erdboden gleich gemacht.
 
Am Beispiel des Ghetto-Aufstands und der ihn umgebenden Erinnerungskultur lassen sich Elemente der positiven Selbstvergewisserung der Deutschen nach ’45 nachvollziehen. Ohne Bedeutung für den Verlauf des 2. Weltkriegs, ohne reele Aussicht auf einen Sieg oder gar das Überleben der Kämpfer*innen ist der Aufstand heute vorallem ein politisches Symbol. Die Art der Erzählweise in Deutschland heutzutage überhöht häufig die widerständigen Jüdinnen*Juden zum zentralen handelnden Subjekt, die Täter, alljene also die Verordnungen geschrieben und sie mit ihrem Vernichtungswillen durchgesetzt haben, geraten dabei aus dem Fokus. Die konkreten Täter verlieren sich in passiven Vergangenheitsformen wie „500 000 Juden wurden im Warschauer Ghetto eingepfercht“.
 
In besonders perfider Weise zeigt sich dies in den Versuchen des bürgerlichen Spektrums von CDU bis Grüne den Aufstand so darzustellen, als wäre es ein Kampf um die Würde gewesen. Nicht nur schwingt hier das antisemitische Bild des würdelosen ’nicht-kämpfen-könnenden-Juden‘ mit, auch die bereits angesprochenen Konstruktion von Aktivität und Passivität macht die in den Gaskammern Getöteten noch Jahrzehnte später zu den schlechteren Menschen. Mit diesem Kunstgriff stellen deutsche Politiker*nnen sich und §1 des deutschen GG in eine Reihe mit den jüdisch-polnischen Widerstandskämpfer*innen des Aufstands. So werden noch die getöteten aufständischen Jüdinnen*Juden für das „wiedergutgewordene“ Deutschland nutzbar gemacht. Rache, ein in Aufzeichnungen der Widerständigen häufiges Motiv, ist jedoch in der deutschen Rezeption des Aufstands eher ungern gesehen, ist es als Motiv doch deutlich schlechter in die deutsche Erinnerungskultur integrierbar.
 
Schliessen wollen wir mit den Worten polnischer und jüdischen Sozialist*innen aus dem spanischen Bürgerkrieg, die sich später auch auf die Situation der Verfolgten Jüdinnen*Juden und der unterdrückten Pol*innen bezogen:
 
Za Wolnosc – Nasza i Wasza
Für die Freiheit – Unsere und Eure